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Glaubwürdige Kommunikation, Glaubwürdige Wissenschaft?

Promotionsprojekt von Rebecca Moltmann.

Die vielzitierte ‚Vertrauenskrise der Wissenschaft‘ oder das vermeintliche ‚Ende der Fakten-Ära‘ – in den letzten Jahren gab es zahlreiche Artikel und Beiträge zu diesen Themen. Die Reaktionen vonseiten der Wissenschaft reichten von Unverständnis und Entrüstung bis hin zu eingestandenen Kommunikationsdefiziten, denn: „the credibility of science is actually dependent on the credibility of science communication“ .
Welchen Einfluss hatte die Debatte aber bisher tatsächlich auf die Wissenschaftskommunikationspraktiken in und von Hochschulen? Wurden mit Blick auf den womöglich nötigen ‚Wiederaufbau‘ von Vertrauen etwa Strategien überarbeitet, neue Kommunikationsmaßnahmen entwickelt oder sprachliche Feinheiten geändert? Entstehen dabei, bewusst oder unbewusst, vertrauensbildende kommunikative Praktiken? Dies sind zentrale Fragen meines Dissertationsprojekts.

Wieso eigentlich ‚Vertrauenskrise‘?
Ein Auslöser für die Sorge um Fakten und die Autorität wissenschaftlicher Expertise waren die Folgen des Wahlkampfes um und von Donald Trump in 2016. Trump und sein Team nutzen der Begriff der „Fake News“ seitdem quasi inflationär, um für sie negative Berichterstattung zu diskreditieren. Entsprechend schnell breitete er sich insbesondere in den Social Media aus.
„In place of facts, we now live in a world of data“ , schreibt Will Davies 2016, politischer Ökonom an der University of London. Zu einem ähnlichen Urteil kommt im selben Jahr Geschichtsprofessorin Jill Lepore von der Harvard University, die dem Fakt attestiert, dass ‚seine Zeit zu einem Ende kommt‘. Tatsächlich sind es vor allem die online sehr präsenten Vertreter*innen vergleichsweise kleiner Gruppen, von etwa Impfgegner*innen oder Klimawandelleugner*innen, die den Eindruck verstärken, die Gesellschaft lege immer weniger Wert auf wissenschaftliche Erkenntnisse, Fakten und gesichertes Wissen – was immer das sein mag.
Für diese wiederum ist es einfacher geworden, Gleichgesinnte und vermeintliche alternative ‚Autoritäten‘ zu finden. Im Zuge der Debatte um das Coronavirus waren dies beispielsweise (tendenziell fragwürdige) Mediziner*innen, die etwa über YouTube Gegenpositionen zu jenen in den ‚Mainstream‘-Medien vertraten. Auch diese sind schließlich Mediziner*innen und zitieren aus Studien, wieso sollten sie also weniger glaubwürdig sein?
Wenn nun, wenigstens dem Anschein nach, das Vertrauen in die Wissenschaft und ihre Erkenntnisse schwindet, sind wissenschaftsinterne Krisen wie öffentlich werdende gefälschte Ergebnisse und Messwerte in Fachjournals oder nicht replizierbare Studien (‚replication crisis‘) für den Stand der Wissenschaft in der Öffentlichkeit wenig hilfreich. Auch das fehlende Wissen (und die ausbleibende Vermittlung dessen) über die Vorläufigkeit wissenschaftlichen Wissens ist ein Problem. So rufen geänderte Empfehlungen aufgrund neuer Forschungserkenntnisse (ist Milch doch nicht so gesund, wie wir es früher gelernt haben?) häufig Irritationen und Skepsis hervor. Wieso sollte den Wissenschaftler*innen und ihren neuesten Erkenntnissen denn nun Glauben geschenkt werden, wenn sie sich doch vorher schon geirrt haben?
This is an academic problem but one with serious social consequences. If we cannot answer the question of why we should trust science — or even if we should trust it at all — then we stand little chance of convincing our fellow citizens, much less our political leaders, that they should get their children vaccinated, floss their teeth, and act to prevent climate change.
„This is an academic problem“ – inwieweit ist dies tatsächlich ein Problem für die Wissenschaft? Diesem Zitat Oreskes zufolge zieht Misstrauen der Wissenschaft gegenüber vor allem praktisch-gesellschaftliche Konsequenzen nach sich – wie etwa schlechte Zähne, die zunächst für den Einzelnen problematisch werden könnten, oder das Versäumnis, Maßnahmen zu ergreifen, um den Klimawandel zu verlangsamen. Davon abgesehen, dass beide Beispiele natürlich viel komplexer sind, was die Ursachen verweigerter Zahnseide oder der Nutzung von Inlandsflügen betrifft: wie genau beeinflusst dies Wissenschaftler*innen? Diese interessieren sich, systemtheoretisch gedacht und polemisch formuliert, ohnehin nicht wirklich für ihre Umwelt. Sie können (erst einmal) weiterhin Forschung betreiben, auch wenn Menschen ihre Zahnzwischenräume vernachlässigen.

Vertrauen und Wissenschaftskommunikation in Hochschulen
Das Ganze könnte aber ein Problem für die Organisation Hochschule sein. Diese unterliegt anderen Rahmenbedingungen, externen Einflüssen und steht unter größerem Druck, das Gelingen und den Erfolg der Organisation zu ermöglichen – schließlich wurden in den Hochschulen spezifische Funktionsbereiche geschaffen, denen die Kommunikation der Aktivitä-ten und Forschung obliegt. Hochschulen sind hier aufgrund ihrer teilweise paradoxen Funktionslogik vielversprechende Untersuchungsgegenstände. So treffen in ihnen beispielsweise die im Grundgesetz verankerte Wissenschaftsfreiheit und die gleichzeitige Verstärkung der Ökonomisierung, der Einführung von Managementstrukturen (‚New Public Management‘) oder Verwaltungsreformen aufeinander.
In meinem Dissertationsprojekt gehe ich davon aus, dass Wissenschaftskommunikator*innen in Hochschulen ein entsprechendes Interesse daran haben, Forschungsergebnisse vertrauenswürdig zu kommunizieren – sowohl zentrale Hochschulkommunikator*innen als auch individuell kommunizierende Wissenschaftler*innen, wenn auch aus vermutlich unterschiedlichen Gründen. Wie wirkt sich eine medial so präsente Debatte um die Wissenschaft in der Vertrauenskrise auf die Wissenschaftskommunikationsbemühungen an Hochschulen aus? Lassen sich Muster vermeintlich vertrauensfördernder wissenschaftskommuni-kativer Praktiken erkennen?

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1 Weingart, Peter und Guenther, Lars (2016): Science communication and the issue of trust 2016, Journal of Science Communication 15 (5), 2.
2 Davies, Will: Thoughts on the Sociology of Brexit (24.06.2016). Blog of The Political Economy Research Centre, URL: https://www.perc.org.uk/project_posts/thoughts-on-the-sociology-of-brexit/.
3 Vgl. Lepore, Jill: After the Fact. In the History of Truth, a New Chapter Begins (14.03.2016), in: The New Yorker.
4 Die ‚Replikationskrise‘ in der Wissenschaft wurde ausgelöst durch eine groß angelegte psychologische Studie, in der 28 bereits vorgelegte Studien überprüft und wiederholt wurden. Nur die Hälfte der Versuche konnte schließlich repliziert werden. Da die Wiederholbarkeit, hier etwa von Versuchen, ein entscheidendes Kriterium der wissenschaftlichen Methode ist, löste die Studie eine breite methodologische Debatte aus. Vgl. die ‚auslösende‘ Studie von Klein, Richard A. et al. (2018): Many Labs 2: Investigating Variation in Replicability Across Samples and Settings, Advances in Methods and Practices in Psychological Science 1 (4), 443-490.
5 Oreskes, Naomi (2019): Why Trust Science? Perspectives from the History and Philosophy of Science, S. 15-68, in: Dies., edited by Macedo, Stephen: Why Trust Science? Princeton, hier S. 18.