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Wissenschaftskommunikation darf kein kurzlebiges Trendthema sein

Aktuell steht der Beginn der Koalitionsverhandlungen für die nächste Regierung an. Schon vor den Wahlen gab es von Wissenschaft im Dialog eine schöne Aufstellung dazu, was von den einzelnen Parteien für den Bereich Wissenschaftskommunikation zu erwarten ist. Nun sieht es danach aus, dass sich für die Regierungsbildung drei Parteien einigen müssen. Dabei liegen sicher sehr viele Themen auf dem Tisch. Ob das Thema Wissenschaftskommunikation in irgendeiner Weise dabei sein wird, ist aktuell noch völlig offen. Dabei gilt es gerade jetzt, an dem Thema, wie gute Wissenschaftskommunikation gelingen kann und sich weiterentwickeln, mit unverminderter Aufmerksamkeit dran zu bleiben. Es gilt (zumindest) für die nächsten vier Jahre zu verhindern, dass mit der langsamen Rückkehr des „normalen Alltags“ nach der Pandemie die Frage nach der Gestaltung guter Wissenschaftskommunikation wieder in der Schublade verschwindet und erst zur nächsten Krise wieder hervorgeholt wird.

Der Senat der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) hat in diesen Tagen ein Papier mit den ihrer Ansicht nach drängendsten hochschulpolitischen Aufgaben veröffentlicht, um sie den Parteien für die Koalitionsverhandlungen mit auf den Weg zu geben. Darin sind neun wesentliche Punkte genannt, darunter die „Unterstützung bei der Regelung dauerhafter Karrierewege an allen Hochschultypen im Sinne der Leistungsfähigkeit der Hochschulen und attraktiver Arbeitsbedingungen“ oder auch das „verstärkte Engagement des Bundes gemeinsam mit den Ländern für mehr Bildungs- und Chancengerechtigkeit auf allen Stufen des Bildungssystems“. Auffällig ist dabei, dass der Aufruf zu einer weiteren systematischen Unterstützung der Wissenschaftskommunikation fehlt. Dabei wäre eben das ein hervorragender zehnter Punkt gewesen. Auch in der heute veröffentlichten gemeinsamen Stellungnahme von 24 Spitzenorganisationen (z.B. HRK, DFG, DAAD) des Forschungs- und Innovationssystems „Die nächste Ausbaustufe zünden: Appell an Bund und Länder zur Zukunft des Wissenschafts- und Innovationssystems“ steht kein Wort zum Thema Wissenschaftskommunikation, nicht einmal im Unterpunkt Transfer.

Auch wenn dieser Blogartikel nur maximal ein Promille der Aufmerksamkeit erhalten wird, die eine Pressemitteilung des HRK oder der anderen beteiligten Einrichtung erreicht, möchte ich dennoch gerne das Thema Wissenschaftskommunikation zurück in den Diskurs bringen und Wünsche formulieren, die sich an die neue Regierung richten.

Unzählige Themen, die fester Bestandteil unseres Alltags sind, bedürfen einer guten Kommunikation aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse. Gleiches gilt für den Prozess des Erkenntnisgewinns und das gemeinsame Vorgehen gegen Falschinformation. Auch die Wissenschaft braucht diesen Austausch, das Zurückspielen von Fragen und Themen aus der Öffentlichkeit, um nicht in der eigenen Forschungsfilterblase stecken zu bleiben. Was könnte die zukünftige Regierung also tun, um weiterzuführen, was das BMBF in den vergangenen Jahren bereits gestartet hat z.B. mit der Expert:innengruppe #FactoryWisskomm, die zwar von Bundesforschungsministerin Anja Karliczek an einen Tisch zusammen gerufen wurde, ihre Handlungsempfehlungen aber politisch unabhängig erstellt hat. Als eine der 150 Personen, die daran mitarbeiten durfte, treiben mich folgende drei Punkte besonders um, wenn es darum geht, was ich mir von der neuen Regierung für die nächste Legislaturperiode wünsche.

Stabilität

Gebt uns die Möglichkeit weiter zu machen, besser zu werden und bezüglich der Unterstützung nicht abhängig vom aktuellen politischen Geschehen, von Wechseln in hohen politischen Positionen und Ämtern zu sein. Wo es oft üblich ist, beim Führungswechsel in hohen Positionen, dass Initiativen der Vorgänger:in komplett „abgeschossen“ werden, hätte ich gerne weiterhin das BMBF fest an der Seite der Wissenschaftskommunikation. Denn so wie die Wissenschaft ein stabiler Baustein der Gesellschaft ist, so sollte es auch die Kommunikation von wissenschaftlichen Methoden und Erkenntnissen sein.

Verankerung

Wir sollten zusammen den Weg weiter gehen, Wissenschaftskommunikation als integralen Bestandteil der Wissenschaft und Forschung zu etablieren. Dazu müssen wir die Anerkennung und Unterstützung für die Wissenschaftskommunikation fest im Wissenschaftssystem verankern. Dabei wird sicher zunächst an vielen Stellen die Intensivierung der Incentivierung von guter Wissenschaftskommunikation wichtig sein. Auch die Unterstützung der Finanzierung von Kommunikationsprofis/-abteilungen an allen Hochschulen ist ein wichtiges Instrument, um Unterstützung und Rückhalt für kommunizierende Wissenschaftler:innen zu ermöglichen sowie den Kompetenzaufbau von Beginn der wissenschaftlichen Karriere an gezielt zu befördern. Schließlich muss es auch noch (mehr) Zeit und Ressourcen innerhalb der Finanzierung von Forschungsprojekten geben, um gute und ggf. auch partizipative Wissenschaftskommunikation zu machen.

Weiterentwicklung

Auch die Wissenschaftskommunikation bleibt nicht stehen. Wir stehen stetig neuen Anforderungen und Formaten gegenüber und verändern uns mit neuen Ergebnissen aus der Forschung oder mit Rückmeldungen aus der Praxis – und das ist auch gut so! Dazu sollten wir die Community der Forschung und der Praxis weiterhin an einen Tisch zusammenbringen, um die Profession Wissenschaftskommunikation gemeinsam weiter zu entwickeln. Das BMBF kann uns hierfür nicht nur Raum geben, sondern auch die Forschung ebenso wie die Praxis finanziell unterstützen und stärken. Ich würde den Dialog innerhalb der #FactoryWisskomm sehr gerne nicht nur weiterführen, sondern verstetigen und weiter öffnen. Nur dann kann alles was von Wissenschaftskommunikation erwartet und eingefordert wird, innerhalb und außerhalb von globalen Krisen, eingelöst werden. Nur dann können wir gemeinsam Schritt halten auch wenn es zeitweise nicht nur unbequem, sondern richtig schwierig wird. Vielleicht wird die Wissenschaftskommunikation kaum Thema bei den Koalitionsgesprächen und in der neuen Regierung sein. Vielleicht wirken die vergangenen zwei Jahre aber auch nach und manche Dinge kommen ganz neu oder bleiben zumindest auf dem Weg. Ganz persönlich finde ich eine gute Wissenschaftskommunikation gesellschaftlich so relevant, dass sie einen Platz am Verhandlungstisch und in der Politik der nächsten vier Jahre mehr als verdient hat, gleichrangig mit den Themen, die aktuell von den großen Wissenschaftsorganisationen dort platziert werden.